Es ist einer dieser typischen verregneten Bremer Herbstnachmittage, einer von denen, an denen man gar nicht heraus möchte aus der Gemütlichkeit und Wärme der eigenen vier Wände, an dem ich mich auf mein Fahrrad schwinge und den Weg zum Dom antrete. Dort bin ich verabredet mit Laura Blumenberg, sie ist Kunstrestauratorin in Bremen. Nicht viele gibt es davon in dieser Stadt, die so voll ist von wunderbaren alten Gebäuden, verwunderlich, eigentlich. Doch der Weg zum Beruf des Restaurators ist kein einfacher, wie Laura mir bald erzählen wird. Als ich ankomme, mach der Regen gerade eine kleine Pause und Laura erwartet mich auf den Treppen des Doms, in dem sie schon seit geraumer Zeit für Restaurierungen zuständig ist. Sie lächelt warm und zurückhaltend und ich bin sehr gespannt auf das, was sie mir gleich zeigen und erzählen wird. Als wir den Dom betreten, verschwindet die Hektik, die draußen herrscht, sofort, es ist ruhig und andächtig, riecht nach altem Stein und Kerzenwachs. Heimelig wirkt der Dom – trotz seiner imposanten Größe. Laura führt mich zu einer Säule, die sie aktuell bearbeitet. Die Farbe ist verblichen und muss erneuert werden. Hier sind Präzision und Hingabe gefragt, der Farbton muss stimmen, vieles beachtet werden. Lauras Bewegungen und Handgriffe sind geübt, konzentriert haucht sie einem kleinen Stück der Säule ein neues Farb-Leben ein. Ich bin beeindruckt von ihrer offensichtlichen Geübtheit im Umgang mit diesem jahrhundertealten Gemäuer – und auch davon, wie fein die Pinsel sind, die sie benutzt. Sie verrät mir auf meine Frage, ob sie nicht auch gerne mit großen Pinseln arbeitet, dass sie die kleinen bevorzugt. Das zeugt von Hingabe, Geduld und einem sehr hohen Grad an Präzision. Staunend betrachte ich die verschiedenen Materialien, die im Dom vereint sind und überlege, wieviel Erfahrung und Leidenschaft wohl notwendig sind, um all dies zu erhalten, auszubessern, zu gegebener Zeit zu erneuern.
Wie sie an diesen Punkt kam, erzählt mir Laura wenig später – wir haben uns in ein Café begeben, es ist gemütlicher hier und auch ungestörter und während wir unsere Hände an den Kaffeetassen vor uns aufwärmen, bekomme ich einen kleinen Einblick in den Werdegang einer Restauratorin.
Laura malt und bastelt schon als Kind gerne, geht auf die Kinderschule in Bremen, in der reichlich Kunst und Kunsthandwerk vermittelt wird. Ihr Fachabitur macht sie in Huchting mit Schwerpunkt Gestaltung – dazu gehören u. a. Fotografie, Malerei und Töpfern. Nach dem Abschluss überlegt sie, wie es weiter geht – sie entdeckt in einer Zeitschrift einen Artikel über ein Mädchen, welches ein Praktikum bei einem Restaurator macht: in einem Schloss. Das beeindruckt sie, doch bei der Recherche nach einem Praktikumsplatz wird sie in Bremen zunächst nicht fündig. Es gibt schon damals nicht viele RestauratorInnen in dieser Stadt – der Platz, den sie für ein Studium so dringend benötigt, erscheint aussichtslos. Doch letztlich hilft ihr ein glücklicher Zufall: eine Freundin lernt einen Restaurator kennen und erzählt von Laura und ihrer Suche nach eben diesem Praktikumsplatz, seine Reaktion ist wunderbar: „… ja, sie kann ja mal vorbeikommen.“ Der erste Schritt ist geschafft. Nun liegen zwei Jahre Praktikum vor ihr – diese gelten damals als Bedingung, um einen Studienplatz antreten zu können – zwischenzeitlich wurde diese Zeitspanne für den Bachelor- und Masterstudiengang um ein Jahr verkürzt. Viel verdient man nicht in diesem Praktikum, dafür lernt man, zu arbeiten, sammelt Erfahrungen hinsichtlich Methoden, Werkzeug und Material, findet heraus, ob dies der Traumjob ist – oder doch nicht. Für Laura ist es das. Sie will Restauratorin werden. Nach dem zweijährigen Praktikum und einem aufwendigen Bewerbungsverfahren, bei dem sie eine Mappe einreichen und eine zweitägige Prüfung vor Ort absolvieren muss, beginnt sie das Studium in Köln. „… es gibt nur wenige Studienabbrecher in diesem Bereich“, erzählt sie, „das hängt auch damit zusammen, dass jeder, der dieses Studium beginnt, schon eine sehr lange Zeit darin investiert hat, überhaupt studieren zu dürfen“. Sie schließt in Köln mit dem Bachelor für Wandmalerei und Steinobjekte ab, arbeitet für weitere zwei Jahre, in denen sie mehr Berufspraxis sammelt und schreibt sich dann in Potsdam – wieder nach einem anspruchsvollen Bewerbungsverfahren - für den Masterstudiengang ein. Nach dem Abschluss kehrt Laura 2015 zurück in ihre Geburtsstadt Bremen. Der Restaurator, bei dem sie ihr Praktikum gemacht hat plant, in den Ruhestand zu gehen und bietet ihr an, seinen Platz einzunehmen. Die beiden arbeiten noch zwei Jahre Seite an Seite, dann ist es so weit: Er gibt ab, sie übernimmt. „Das war für mich trotz dessen, dass ich wusste, dass dies passieren würde, dann doch total plötzlich“, erzählt sie schmunzelnd. Da ist er also, der Sprung ins kalte Wasser. Doch Laura ist gut vorbereitet. In der ersten Zeit arbeitet sie noch viel mit anderen Restauratoren gemeinsam an Projekten, doch inzwischen ist sie hereingewachsen in ihre Selbstständigkeit. Die Denkmalpflege erteilt ihr immer wieder Aufträge, die Arbeit ist vielfältig, stellt sie auch vor Herausforderungen, doch die meistert sie inzwischen routiniert und mit Hingabe. Nach ihrem Lieblingsprojekt frage ich sie, da erzählt sie vom letzten Jahr, von einer Arbeit, für die sie beim Denkmalpflegepreis eine Anerkennung bekommen hat: In einem Nebengebäude vom Bahnhof – so wie dieser auch im Jahr 1844 erbaut – wurden drei Decken wiederentdeckt, die Laura dann restaurierte. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von den hohen Räumen und den 6 Meter hohen Decken, von ihrer Arbeit daran – ihre Begeisterung ist spürbar. „Das ist, was ich so mag an diesem Job. Man sieht die Veränderungen einfach. Und er ist so vielfältig: an einem Tag stehe ich draußen an einer Kirche und baue eine Uhr ab, die ich vergolde, am nächsten Tag sitze ich im Dom, dann kommt ein Auftrag wie dieser, bei dem ich eine Decke restauriere …“. Es kann auch anstrengend sein, im Winter in einem unbeheizten Raum - oder den ganzen Tag mit dem Kopf im Nacken zu arbeiten, sagt sie, aber das ist es wert. Da sitz ich nun und könnte mir ewig Lauras Geschichten anhören, sie erzählt spannend und ist merklich in ihrem Element – und eine Frage steht da noch im Raum: woran sie denn gerne einmal arbeiten würde will ich wissen, gibt es ein Traum-Projekt? Sie lacht und antwortet direkt. „Ich würde gerne einmal etwas in Italien restaurieren, in Rom oder Florenz …“, schwärmt sie. Das würde gut zu ihr passen – und zu ihrem Leben, in dem Träume mitunter doch ganz unverhofft wahr werden können.